Wir zitieren einen Website-Artikel des VdM Verband deutscher Musikschulen vom 18.12.2024:

Der Deutsche Tonkünstlerverband (DTKV) hat in einer großangelegten Mailing-Aktion sowohl Musikschulen als auch derenTräger direkt angeschrieben und dafür geworben, seine Petition 174929 für eine „Gesetzesinitiative zur Sicherung der Selbstständigkeit von Lehrkräften und Soloselbstständigen im Bildungs- und Kulturbereich“ zu unterzeichnen.
Der Aufruf zur Unterzeichnung sorgt für viel Unruhe. Viele Musikschulträger befinden sich derzeit im Umstellungsprozess und der Aufruf des DTKV zieht Verunsicherung mit sich, die auch viele Lehrkräfte unserer Mitgliedsschulen, selbst DTKV-Mitglieder, betrifft.

Die Petition kann der VdM nicht unterstützen. Nachstehend werden die Inhalte der Petition aufgeführt und die Haltung des VdM dazu begründet.

Der VdM wünscht sich die Rückkehr zu einer sachlichen und faktenbasierten Debatte unter den Akteuren der musikalischen Bildung.

Holger Denckmann
Bundesgeschäftsführer

 

In der Petition des DTKV heißt es:

 

„Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) und deren Spitzenverbände nahmen das Herrenberg-Urteil, das eine Einzelfallentscheidung des BSG darstellt, zum Anlass, den Kriterienkatalog zu ändern und stufen nun immer häufiger freiberufliche Lehrtätigkeiten und künstlerische Dienstleistungen als scheinselbstständig ein, obwohl viele Lehrkräfte und Soloselbstständige bewusst die Freiberuflichkeit gewählt haben und diese aktiv in ihrer Arbeit umsetzen und leben.“

Die DRV prüft, ob die Pflicht zur Abgabe von Sozialversicherungsbeiträgen besteht. Dies erfolgt unabhängig davon, ob die Lehrkräfte bewusst entschieden haben, freiberuflich zu arbeiten.


„Wenn die DRV Scheinselbstständigkeit feststellt, zwingt das Bildungseinrichtungen und andere Auftraggeber zu enormen Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen – eine finanzielle Belastung, die keine dieser Einrichtungen tragen kann und welche zwangsläufig zu massiven Einschnitten, Schließungen und dem Verlust unverzichtbarer Kultur- und Bildungsangebote führen würde.“

Die Petenten stellen hier Behauptungen auf, ohne sie zu belegen. Ob und in welcher Höhe es zu Nachzahlungen kommt, ist von vielen Faktoren abhängig. Institutionen, die bereits umgestellt haben, wurden beispielsweise Nachzahlungen teilweise erlassen. Die pauschale Einschätzung, dass kategorisch keine der Einrichtungen die finanziellen Belastungen tragen könne, ist ebenfalls nicht belegt. Außerdem wird außer Acht gelassen, dass die überwiegende Mehrheit der VdM-Mitgliedsschulen angestelltes Personal beschäftigt, dass also selbst im Falle von Nachzahlungen diese in den seltensten Fällen das Gesamtkollegium betreffen würden. Im Jahr 2022 (also vor dem „Herrenberg“-Urteil des Bundessozialgerichts) setzten lediglich 5,3 Prozent der Musikschulen im VdM ausschließlich Honorarkräfte ein. Im Zuge von Herrenberg ist die Anzahl von Musikschulen, die eine Anstellungsquote von 90 Prozent und mehr vorhalten, auf über 400 angestiegen. Als Folge des Urteils und der veränderten Prüfkriterien der DRV hat noch keine Musikschule schließen müssen.

 

„Einschränkungen der Freiberuflichkeit bedrohen die Struktur und Vielfalt der Bildungs- und Kultureinrichtungen.“

Umwandlungen „über Nacht“ können Strukturen in der Tat gefährden. Das sehen auch die kommunalen Spitzenverbände so. Ein großes Zeitfenster zur Organisation von Umstellungsprozessen fordert der VdM daher ebenfalls. Jedoch darf der Aspekt des Fachkräftemangels nicht vernachlässigt werden. Freiberuflichkeit unter prekären Bedingungen gefährdet ebenso das Berufsbild „Musikschullehrkraft“ und damit ebenfalls die in der Petition angesprochene Vielfalt innerhalb der Musikschulen und den Fortbestand gewachsener Angebotsstrukturen.

 

„Kürzungen im Bildungs- und Kulturangebot und höhere Kosten würden vor allem jene treffen, die auf bezahlbare Bildung und Kultur angewiesen sind (Endverbraucher).“

Tatsächlich tragen die Zahlungspflichtigen (und hier in erster Linie Eltern) die im Bundesdurchschnitt größte Finanzierungslast der Musikschulen. Unsere Musikschulträger gewähren großzügige Sozialermäßigungen und die Musikschulen nehmen ihren kulturellen Bildungsauftrag auch in der Breite wahr. Entgelte und Gebühren unserer Mitgliedsschulen sind gestiegen, jedoch im moderaten Rahmen und unter Beibehaltung der Ermäßigungen.

 

„Das Herrenberg-Urteil und dessen Auslegung durch die DRV gefährden die Existenz zehntausender freiberuflicher Lehrkräfte und Soloselbstständiger und ein über Generationen gewachsenes Bildungs- und Kultursystem.“

Freiberuflichkeit ist als „echte“ Freiberuflichkeit nach wie vor problemlos möglich. Private Lehrkräfte, die in eigenen Räumlichkeiten oder in den Räumlichkeiten der Kundinnen und Kunden unterrichten, sind von den strengeren Kriterien der DRV nicht betroffen. Die Aussage in der Petition impliziert, dass ausnahmslos alle Lehrkräfte, egal ob freiberuflich an einer Musikschule tätig oder als Privatlehrkräfte mit eigenem Kundenstamm und Räumlichkeiten, in ihren Existenzen gefährdet seien. Diese Behauptung ist so nicht nachvollziehbar. Die Bezifferung, dass „zehntausende“ Existenzen bedroht seien, lässt sich für die Musikschulen im VdM nicht belegen. Die oben erwähnten Umstellungsprozesse haben dazu geführt, dass die Anzahl der geschlossenen Honorarverträge weiter gesunken ist. Im Jahr 2023 bestanden in den Mitgliedsschulen ca. 16.200 Honorarvertragsverhältnisse. Nicht wenige Lehrkräfte sind jedoch an mehreren Musikschulen tätig und nicht für alle Lehrkräfte ist die Tätigkeit an der Musikschule die existenzsichernde Einkommensquelle. Durchschnittlich 9,22 Unterrichtsstunden à 45 Minuten pro Woche unterrichtete eine Honorarkraft im Kalenderjahr 2023 innerhalb eines Vertragsverhältnisses.

 

„Freiberuflichkeit erhalten: Ein Gesetz, welches festlegt, dass Soloselbstständige, die freiberufliche Tätigkeiten im Auftrag Dritter ausführen, insbesondere im Bildungsbereich, weiterhin rechtssicher arbeiten können, um Flexibilität und Vielfalt zu schützen.“

Freiberuflichkeit ist im System der instrumental-/gesangspädagogischen Bildung auch nach Herrenberg möglich. Eingeschränkt wurde die Honorartätigkeit mit sehr ähnlichen Tätigkeitsbereichen wie jenen des angestellten Personals. Es wird etwas eingefordert, das mit der Veränderung von Organisationsmodellen nach wie vor möglich ist und bei Prüfungen durch die DRV auch bereits als selbstständige Tätigkeit eingestuft wurde.

 

„Einführung eines klaren Kriterienkatalogs für Selbstständigkeit: Ein bundesweit einheitlicher, rechtsverbindlicher Kriterienkatalog muss gesetzlich verankert werden. Dieser soll branchenspezifische Besonderheiten berücksichtigen und die tatsächliche Selbstständigkeit anerkennen.“

Einheitliche und nachvollziehbare Prüfkriterien sind wünschenswert. Die derzeitigen Kriterien passen nicht für alle Bereiche der Musikschularbeit und wurden in der Arbeit der Arbeitsgruppe Musikschulen im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales identifiziert und mit Vertreterinnen und Vertretern der DRV diskutiert. Werden diese Änderungen in den Prüfkriterien der DRV entsprechend aufgenommen und festgelegt, ist eine weitere gesetzliche Regelung nicht erforderlich.

 

„Recht auf Selbstbestimmung: Viele Lehrkräfte und Soloselbstständige wählen bewusst die Freiberuflichkeit, um Lehre und weitere selbstständige Tätigkeiten flexibel zu verbinden. Diese Freiheit ist besonders für Dozenten, die nebenberuflich unterrichten, unverzichtbar.“

Das Recht ist nachvollziehbar, wenn es eine echte Wahl gibt. Sprich: Wenn die Honorare in einer Höhe angeboten werden, die den Einkünften aus abhängiger Beschäftigung entsprechen, und wenn neben der Freiberuflichkeit die Anstellung als Option gegeben ist. Das Durchschnittshonorar an den Musikschulen des VdM lag im Jahr 2023 bei 27,93 Euro pro Unterrichtsstunde à 45 Minuten, das vom Deutschen Musikrat 2024 geforderte Honorar bei 54 Euro pro Unterrichtstunde à 45 Minuten, welches sich am Tariflohn in TVöD 9b orientiert. Die angebotenen Honorare liegen demnach deutlich unter dem Tariflohn. Häufig gibt es neben der Möglichkeit, freiberuflich zu arbeiten, keine Option einer Anstellung. Nebenberufliche Tätigkeit ist auch im Anstellungsverhältnis möglich. Dies beweisen die derzeit 337 Musikschulen im VdM, die ausschließlich angestelltes Personal beschäftigen. In Österreich werden seit dem Jahr 2000 keine Honorarkräfte mehr an den öffentlichen Musikschulen eingesetzt. Die Möglichkeit neben dem Anstellungsverhältnis an der Musikschule künstlerisch tätig zu sein, wird von den Schulleitungen unterstützt. Anstellungsverhältnis und freie künstlerische Tätigkeit schließen sich nicht aus. Trotzdem ist der VdM in seiner Haltung nicht kategorisch gegen den Einsatz von Honorarkräften. In Ausnahmefällen (Projektbereich, Vertretung, Studierende/Rentnerinnen und Rentner) sowie in der Anwendung der 70-Tage Regelung, sollen Honorarkräfte als Ergänzung eingesetzt werden können.

 

„Schnellprüfung für bereits sozialversicherte Selbstständige: Für Selbstständige, die z. B. über die Künstlersozialkasse (KSK) oder freiwillig und nachweislich in die Deutsche Rentenversicherung einzahlen, soll ein vereinfachtes und beschleunigtes Verfahren zur Statusprüfung eingeführt werden.“

Der VdM vertritt die Position, dass sozialversicherungspflichtig angestellte Vollzeitbeschäftigte Nebentätigkeiten sozialversicherungsfrei nachgehen dürfen sollen. Eine Mitgliedschaft in der KSK ist allein kein Indikator für eine auskömmliche Altersrente. Die Mitgliedschaft in der KSK ist bereits ab einem jährlichen Einkommen aus freiberuflicher, künstlerischer Tätigkeit von 3.900 Euro möglich.

 

„Straffreie Übergangszeit und Schutz vor Rückforderungen: In dem zu beschließenden Gesetz muss sichergestellt werden, dass Rückforderungen der DRV für zurückliegende Zeiträume ausgeschlossen sind. Eine Übergangszeit erlaubt es allen Beteiligten, sich auf neue Regelungen vorzubereiten.“

Der VdM setzt sich für eine Übergangszeit ein, um den Musikschulträgern die Möglichkeit zu geben, Umstellungsprozesse einzuleiten und zu finanzieren. Die kommunale Finanzlage ist sehr angespannt und erfordert Augenmaß. Dies machen die kommunalen Spitzenverbände regelmäßig gemeinsam deutlich. Der VdM befindet sich in produktiven Gesprächen mit dem BMAS, der DRV, den kommunalen Spitzenverbänden und den Landesregierungen. Außerdem stehen wir im Austausch mit dem bdfm (440 Musikschulen) und auch dem DTKV (ca. 60 Musikschulen). Die vorliegende Petition hilft im konstruktiven Prozess unserer Ansicht nach nicht weiter. Der VdM unterstützt sie daher nicht.